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Sommerliches Journalismusloch

Ideen für neue Artikel gibt es, aber die Menschen dazu nicht. Es hat also auch mich ereilt: Das sommerliche Journalismusloch.
Dieses hat ein absehbares Ende, denn: Die fehlenden Menschen werden wiederkommen und man darf sich dann auf einen Artikel über die Grazer Frauenband Just friends and lovers (JFaL) und einen über Juanita’s Nähbox freuen.
Im Juli gibt es aufgrund des Lochs eine Liebesgeschichte.
Eine Liebesgeschichte, die von Sommereinsamkeit und Entfremdung erzählt. Und von Running Sushi.
Asia Food. Jakominiplatz – Graz.
Alles war gut. Ruhig. Schön. Wir waren eins. Wir waren wir. Smooth.
Bis.
Bis der Schmerz kam.
Die neue Liebe hatte sich über ihn gelegt wie ein Verband. Es war, als würde der Schmerz weniger werden, als würde die Wunde heilen. Der Verband hatte sie verdeckt, die Wunde, ihn, den Schmerz – ja. Und das war das Problem.
Sobald der Verband abfiel, kam das schaurige Gemetzel von vor zwei Jahren wieder zum Vorschein. Es war nicht verschwunden in der Zwischenzeit und tat nicht weniger weh als davor.
Mein Türchen geht schlecht auf. Es lässt sich nur mit Mühe aufschieben. Ich muss mich lange auf das Essen vorbereiten, das ich haben möchte, heißt: sehen, was auf dem Fließband daherkommt, noch bevor es mich erreicht. Weil es sonst an meiner Nase vorbeifährt, weil es zu lange dauert, das Türchen aufzuschieben. Andere Menschen würden in so einem Fall mit Sicherheit das Türchen einfach offen stehen lassen – aber nicht ich.
Oben fährt das warme Essen vorbei, unten das kalte. Das obere Fließband wird erhitzt, das untere gekühlt. Man kann das Türchen nicht einfach offen stehen lassen.
Einmal, in Barclona, habe ich mir vorgestellt, man könnte das Fließband per Knopfdruck beschleunigen. Ich war einsam damals, in Barcelona.
    Ich war einsam. Meine zweite Hälfte (so empfand ich es wirklich) war für mehrere Monate verreist. Ich war zurückgeworfen auf mich selbst – einsam, – einsam. Und verletzt.
Wir waren zwei – zu einem Organismus verwachsen. Wir hatten uns zuerst aufeinander eingelassen und dann aneinander gewöhnt. Ich ertrug den Gedanken und die Gewissheit nicht, allein zu sein – allein im Sinne –
Die Akustik dieses Sushi-Ladens ist wie die einer Kantine. Stimmen und Geschirrgeklapper hallen durch den großen Raum und vermischen sich zu einer verschwommen Geräuschkulisse. Ich war noch nie hier und fühle mich wie in einer fremden Stadt.
Allein im Sinne von – allein – nicht ohne jemand anderen, ohne Menschen um mich herum. Allein im Sinne von allein-einzelner Organismus – Körper, mit nur einer Stimme, einem Kopf –
Ein Organismus, der nur aus einem einzelnen Menschen – mir – bestand und ich war dafür verantwortlich. Ich war mit mir allein. Niemand, der Klopapier einkaufte, den Müll nach unten brachte, dafür sorgte, dass Milch und Brot vorrätig waren. (Die meiste Zeit machte ohnehin ich diese Dinge – aber es ging doch ums Prinzip. Um die Möglichkeit dessen, dass sich jemand anderes darum kümmerte.) Ich war für mich selbst verantwortlich, jeden Handgriff, jeden Gedanken – die auf einmal nur noch mir gehörten, mir allein und mit niemandem geteilt werden konnten.
Man kann sich an seine Einsamkeit gewöhnen. Sehr gut sogar. Aber was macht man dann mit dem anderen, mit der zweiten Hälfte? Das war das, was mir Angst machte. Das Fremdwerden des anderen zu einem selbst, während man mehr und mehr zu sich selbst zurückfindet (wird) und allein auskommt – seine Gedanken (und sein Leben) mit sich selbst teilt.
Während ich dieses ekliger Teigröllchen esse, fährt unbemerkt das köstliche Hühnchen vorbei. Nicht ganz unbemerkt: Ich habe es bemerkt, aber zu spät –
Der Verband hatte die Wunde nicht heilen lassen, sondern sie konserviert. Wie eine Mumie hatte sie darunter jahrelang nahezu unverändert überdauern können (Kruste, wächserne Haut).
Die Liebe, die neue– legt sich immer nur drüber über den Schmerz. Sie heilt ihn nicht.
Meine neue Liebe war genau genommen auch kein Verband, den ich abnahm, kein Pflaster. Sie war meine neue Liebe und: sie verdeckte den alten Schmerz, verstellte die Sicht auf die Wunde, die die alte Liebe geschlagen hatte: Meine alte Liebe war verreist – und hatte mich kurz nach dem Abschied vergessen, alles zerstört, was da gewesen war.
Meine neue, schöne, war so schön, dass ich den Schmerz über die alte vergessen hatte. Und jetzt – war der Moment gekommen, mir das Unerledigte zu servieren.
Der Schmerz hatte es geschafft, sich in einer Falte des Herzens abzusetzen und dort zu überdauern. Und jetzt brach er hervor, kam aus seinem Versteck heraus.
Ich fand das dreist. In einem Moment glückseliger Harmonie kramte das Leben etwas Neues (Altes) hervor, erfand eine neue (alte) Hürde, eine neue (alte) Etappe, die es zu nehmen galt.
Scheibchenweise serviert das Leben einem die Aufgaben, in kleinen Portionen.
Ich frage mich, ob sie die Tellerchen oft wegtragen, damit man den Überblick verliert und glaubt, noch zu wenig gegessen zu haben. Was aber keinen Sinn macht, weil ja das Ziel eher sein sollte, viel für wenig zu bezahlen.
Das Herz durchputzen (wie ein Rauchfangkehrer den verrußten Kamin) – in der Einsamkeit. Das tun, was vor zwei Jahren zu schmerzhaft gewesen wäre und wozu keine Zeit gewesen war, weil das Schicksal etwas anderes geplant hatte – die neue Liebe schon vor der Tür stand. Darin bestand die Aufgabe.
Die Frau hinter mir fragt, ob es möglich sei, Running Sushi mit Pommes Frittes zu bekommen. „Wir sind ein asiatisches Restaurant. Wir haben traditionell japanische und chinesische Speisen“, antwortet die Kellnerin. „Und was haben Sie da so?“, fragt der Gast. „Das was sie hier sehen“, antwortet die Kellnerin, „Sushi, Maki, …“
    Recalling the pictures.
Wir. Auf dem Dach sitzend – Seifenblasen fliegen uns um die Ohren. Ich habe mich schön gemacht. Du sagst, ich hätte Elefantenbeine.
Gebackenes Gemüse, kleine Frühlingsrollen. Sushi, Maki mit Lachs und Gurke, mit in Scheiben geschnittenem Oktopus.
Wir. Beim Running Sushi. Du zerfällst in Einzelteile und ich versuche dich zusammenzusammeln, zusammenzusetzen – dir dich zu zeigen.
Knusprige Teigtaschen, matschige Teigtaschen. Die knusprigen sind mit essbaren Schleifchen zugebunden, die beim Frittieren auch knusprig werden.
Wir. In Portugal am Strand. Ich weine. Ich fühle mich schwer, belastet.
Garnele im Teigmantel. Ihre Augen, kleine schwarze Knöpfe, wurden beim Einmanteln ausgespart.
Wir. Zerfallen in unsere Bestandteile – in ein Du und ein Ich – und vielleicht waren wir nie etwas anderes.
Vergammelt aussehender Salat mit Maiskörnern und Karottenstückchen.
Ich. Sage, ich kann nicht bleiben. Du. Kämpfst keine Sekunde um mich.
Kompott mit stacheligen Kirschen – irgendwie seltsam, pelziger Kern.
Als alles vorbei ist, sagst du, ich hätte warten müssen.
Mini-Germknödel. Schokokuchen, halbe Kiwis, Ananasspalten. Mini-Dickmann’s in Weiß, Milch und Dunkel. Topfenstrudel. Weiße, kalte Zuckersuppe mit durchsichtig-glibberigen Kügelchen darin.
Puddingkuchen mit Kirschen und Hagelzucker. Einzelne Schokobananen. Palatschinkenstückchen mit Staubzucker und Schokosauce.
Und. Das war gestern. Oder vorgestern. Letzte Woche. Ich weiß nicht mehr. Lange her auf jeden Fall.
Zahlen, bitte!

Bildrechte: (c) Katerina Cerna
...




[Kolumne/katerina cerna/18.07.2013]





    Kolumne/katerina cerna


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